Deutsches EMC-Mitglied zu Besuch in Chile: Martin Scheuerer von Protarget spricht über Chancen von Solarthermie für den chilenischen Bergbau
In der ersten Septemberwoche war Martin Scheuerer des Unternehmens Protarget in Santiago de Chile und traf sich mit dem Team von Eco Mining Concepts für ein persönliches Gespräch vor Ort. Im Interview erzählt er uns mehr über die Aktivitäten seines Unternehmens in Chile und wie Solarthermie zu einem nachhaltigeren Rohstoffsektor in Chile beitragen kann:
[AHK Chile] Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung, Herstellung, und den Bau von solarthermischen Kraftwerken. Ihre Dienstleistungen sind daher besonders für sonnenreiche Regionen von Interesse. Chile birgt hier ein großes Potenzial. Im chilenischen Norden scheint die Sonne mehr als 4000 Stunden pro Jahr und das Land weist eine der höchsten Sonneneinstrahlungen der Erde vor. Wie genau können chilenische Bergbauunternehmen von ihren Technologien profitieren?
[Martin Scheuerer] Hier würde ich gerne etwas weiter ausholen, einfach weil ich oft die Erfahrung mache, dass der Gedanke sofort auf Photovoltaik springt, wenn man das Thema Solar erwähnt. Wir machen Solarthermie. Es gibt einerseits Photovoltaik (Strom wird erzeugt) und andererseits Solarthermie (Dampf wird produziert). Thermische Energie kann auf vielerlei Arten eingesetzt werden:
1) Man nutzt sie direkt in einem Produktionsprozess in Form von Prozesswärme oder Dampf.
2) Oder man leitet den Dampf durch eine Turbine und erzeuge Strom.
3) Thermische Energie kann sehr einfach und kostengünstig gespeichert werden (z. B. Thermoskanne) wodurch sie auch in der Nacht und Phasen mit schlechtem Wetter verfügbar ist.
Wir sprechen über industrielle Prozesswärme und Dampferzeugung. Industrieunternehmen benötigen beides: Strom und thermische Energie. Laut aktueller Zahlen der IRENA (International Renewable Energy Agency), dass der industrielle Energiebedarf zur Erzeugung von Wärme deutlich stärker ist als der Stromverbrauch, bis zu dreimal so viel. Um Wärme zu erzeugen, werden in der Regel fossile Brennstoffe wie z.B. Gas, Öl, Diesel oder Kohle. Damit hat man dann thematisch nicht mehr mit Strom, Netzen und öffentlichen Stromerzeugern zu tun, sondern man stellt die Wärme selbst her. Das heißt, die Unternehmen erzeugen ihre thermische Energie selbst. Die Krux daran: Die Unternehmen wissen meist nicht, wieviel Thermische Energie sie eigentlich benötigen. Der Stromverbrauch ist aufgrund der Energierechnung von Erzeuger hinlänglich bekannt. Der Verbrauch an Thermischer Energie dagegen läuft im Hintergrund.. Somit ist in der Industrie der Stellenwert thermischer Energie kaum bekannt und dem Thema wird oft nur geringe Beachtung geschenkt.
Um jetzt den Bogen zu den Minenbetrieben hinzubekommen: Minen verbrauchen sowohl Strom als auch thermische Energie. Bei den Minen gibt es noch einen speziellen Fall. Der größte Ressourcenverbrauch liegt dort im Kraftstoffbedarf der großen Trucks. Das ist ein fossiler Brennstoff, den unser Unternehmen so erstmal nicht ersetzen kann. Aber auch in der Verarbeitung der Erze und in der Herstellung von Zwischenprodukten werden große Mengen an Wärme benötigt. Darüber hinaus können etablierte Produktionsprozesse mit Hilfe von Wärme deutlich effizienter gestaltet werden, z.B. bei der Haufenlaugung (heap leaching) kann mit Erhitzer der Metallgehalt deutlich erhöht werden. Die Wärme trägt auch zur schnelleren Trocknung von Salzlaken (brine) bei der Salz und Lithiumgewinnung bei. Dies sind Bereiche, in dem Minenbetriebe gerade anfangen darüber nachzudenken, Solarenergie in Prozessen einzusetzen, in denen große Menge an Wärme und Dampf benötigt werden. Um diese zu erzeugen, muss i.d.R. Diesel, weil er gut transportierbar ist, in Tanklastzügen in die Atacama-Region gefahren werden. Dadurch erstehen hohe Kosten und komplexe Logistikketten. Mit jedem Cent, die der Kraftstoffpreis steigt, werden diese Kostenpositionen in den Bilanzen der Firmen signifikanter. Aber dieses Problem wird von Unternehmen noch nicht ausreichend wahrgenommen, da die meisten Unternehmen nur über Strom nachdenken. Generell ist das Thema Energie noch nicht so signifikant, sodass es ganz oben an der Tagesordnung stünde. Aber einige Minen haben sich dem Thema angenommen und merken, das sind große Kostenpositionen und hier kann man etwas ändern.
[AHK Chile] Protarget bietet vor allem schlüsselfertige Parabolrinnen-Systeme. Was sind die Wettbewerbsvorteile genau dieser Technologie in Chile? Wie können sie zu einem nachhaltigeren, chilenischen Bergbau beitragen?
[Martin Scheuerer] Wir nutzen die sehr hohe Sonnen-Strahlung, die in Chile vorliegt und bündeln sie. Wir als Protarget nehmen hierfür die Parabolrinne – eine Technologie die etabliert ist und die es seit 30 Jahren gibt. Aktuelle sind weltweit mehrere Millionen Quadratmeter Parabolrinnen mit einer Leistung von acht Gigawatt elektrischer Leistung installiert. Die Parabolrinne ist eine Technologie die ihre Zuverlässigkeit bereits in vielen Kraftwerksprojekten in Spanien, Südafrika, Marokko und Ägypten unter Beweis gestellt hat. Daher handelt es sich um eine ideale Technologie für die chilenische Bergbaubranche. Für diesen Einsatz hat Protarget, die Parabolrinne etwas verkleinert und robuster gemacht, um sie so für die Anforderungen der industriellen Prozesswärme und Dampferzeugung unter klimatischen Bedingungen in der Atacamawüste optimiert. . Unsere Kunden sind keine Energieerzeuger sondern z.B. Kupfer- oder Lithiumproduzenten.Unsere Solarsysteme laufen hier unbemerkt im Hintergrund, ohne extra geschultes Personal und ohne spezielle Wartungsarbeiten. Unsere Technologie ist in punkto Betriebssicherheit und Wartung genau für die chilenische Bergbauregion unter ihren harschen, klimatischen Bedingungen optimiert und darauf ausgerichtet.
[AHK Chile] Welche Infrastruktur und Rahmenbedingungen müssen für die Etablierung Ihrer Technologien in chilenischen Bergbauunternehmen gegeben sein?
[Martin Scheuerer] Drei Dinge werden benötigt, damit unsere Technologie wirtschaftlich funktioniert:
1) Wir brauchen Sonne. Hier können wir in Chile ein Häkchen setzen. Es gibt eine sehr gute Direktstrahlung: das heißt trockene Luft, keine Wolken und kaum bis gar kein Regen. Hierfür gibt es nirgendwo in der Welt einen besseren Ort als die Atacamawüste.
2) Wir benötigen Fläche. Um dem hohen Energiebedarf der Minen Sorge zu tragen, benötigen wir viel Fläche. Diesen gibt es in der Atacamawüste. Auch hier können wir daher ein Häkchen setzen.
3) Wir brauchen Energiekosten, welche weltweiten Marktpreisen entsprechen. In Saudi Arabien haben wir z.B. Sonne und Fläche. Aber Kraftstoff und Diesel kosten dort weniger als Trinkwasser. Da macht unsere Technologie wirtschaftlich gesehen keinen Sinn. In Chile finden wir relativ hohe Energiepreise. Somit kann mit unserer Technologie, Prozesswärme und Dmapof deutlich günstiger hergestellt werden im Vergleich zu fossilen Brennstoffen.
[AHK Chile] Inwiefern muss Ihre Technologie gewartet werden? Braucht man hierfür eine spezifische Expertise, die Unternehmen auch selbst erwerben können?
[Martin Scheuerer] Unsere Anlagen sind so konzipiert, dass sie vollkommen autark laufen. Sie werden in die bestehende Infrastruktur der Bergbaubetriebe integriert. Das heißt, die bereits bestehenden Anlagen der Unternehmen zur Wärmeerzeugung werden nicht ersetzt. Wir sorgen nur dafür, dass der Kraftstoffverbrauch reduziert wird und im Idealfall sogar Null ist. Wir geben unsere Solar erzeugte Wärme zusätzlich in die bestehende Dampfinfrastruktur die Betriebs ein, wodurch der Kraftstoffverbrauch sinkt. Beide Technologien sind daher komplementär.
Zur Wartung: Die Spiegel müssen lediglich regelmäßig gereinigt werden: je nachdem wie staubig es ist, zwei bis dreimal pro Monat. Dafür sind keine Spezialmaschinen und kein Spezialwissen notwendig, auch keine ausgebildeten Bergbauingenieure, sondern normal geschultes technisches Personal. Hierfür werden typischer Weisse Pick-Up Trucks mit einem Wassertank auf der Ladefläche ausgestattet. Eine Person fährt den Truck an den Spiegeln entlang und eine Zweite spritzt die Spiegel mit Wasser ab. Die Spiegel haben eine spezielle Beschichtung, sodass keine Schmutzpartikel anhaften. Schon bei einer geringen Menge Wasser, läuft die Staubschicht mit dem Wasser ab. Unsere Anlagen sind für einen Betriebsdauer von min. 20 Jahren ausgelegt, und benötigen ansonsten keinerlei Wartung oder Reparatur.

[AHK Chile] Abgesehen von den zahlreichen Sonnenstunden im Norden Chiles – warum ist 1) Chile und 2) spezifisch der chilenische Bergbausektor für Protarget noch ein interessanter Markt?
[Martin Scheuerer] Es sind die Produkte, die Rohstoffe, die hier hergestellt werden. Ich nenne hier Kupfer und Lithium. Beides sind Rohstoffe, die wir (die Welt) für eine grünere und nachhaltigere Zukunft benötigen. Es wird deutlich mehr Kupfer benötigt, wenn wir über Elektromobilität sprechen. Es wird deutlich mehr Kupfer benötigt, wenn wir über erneuerbare Energien sprechen, z.B. über Windräder. Das Gleiche gilt noch mehr für Lithium. Aber wir müssen auch eingestehen, dass beide Rohstoffe nicht gerade sehr nachhaltig in ihrer Herstellung sind – aber hier ist eine Verbesserung möglich.
Es gibt Produktionsschritte, die wir nicht optimieren können, diese sind physikalisch und geologisch gegeben. Aber dort wo Wärme benötigt wird, ist Solarthermie die beste Form der Energieerzeugung. Es macht keinen Sinn, Diesel nach Chile zu importieren, diesen mit Tanklastzügen hunderte von Kilometern hoch in die Atacamawüste zu fahren und dort zu verbrennen – in einer Region, wo die Sonne rund um die Uhr scheint. Das ist unser Anspruch: Dies wollen wir den Bergbauunternehmen näher bringen. Nicht, weil unsere Technologie nachhaltig und grün ist, das ist natürlich ein positiver Nebeneffekt, sondern weil siedeutlich billiger ist. Wenn Bergbau Unternehmen Energiekosten sparen und Ressourcen schonen wollen, dann ist unsere Solartechnologie eine gute Alternative.
[AHK Chile] Protarget ist seit Mitglied von Eco Mining Concepts. Die Nachhaltigkeitskomponente wird im chilenischen Bergbausektor zunehmen wichtiger. Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien werden daher vermehrt in Abbauprozesse integriert und das Interesse an verbundenen Technologien wächst. Denken Sie, dass in Chile genug Bewusstsein über Vorteile der Solarthermik, auch im Vergleich zu anderen Technologien vorhanden ist? Was muss und kann Ihrer Meinung nach in Chile getan werden, um das Bewusstsein über zugehörige Vorteile zu steigern?
[Martin Scheuerer] Es gibt in der Tat eine Bewusstseinsveränderung bei den Unternehmen. Diese kommt meiner Meinung nach von drei Seiten:
1) Es werden immer wieder junge Ingenieure und Ingenieurinnen eingestellt, die Wissen über neue Technologien von Universitäten mitbringen. Diese sind Impulsgeber für Unternehmen.
2) Auf Seiten der Kunden wird immer häufiger die Frage nach der Nachhaltigkeit der Produkte und Rohstoffe gestellt, Stichwort „Green Copper“. Auf Kundenseite wird nachgefragt, wie der Rohstoff überhaupt hergestellt wird und welchen ökologischen Footprint er hinterlässt.
3) Zum Teil übt die Öffentlichkeit in Chile, die Anwohner, Druck auf Bergbaubetriebe aus. Dieser Druck kann aufgrund sozialer Medien große Hebelwirkungen erzeugen, z.B. beim Thema Wasser. So etwas kann rasant Fahrt aufnehmen und ein Unternehmen plötzlich hindern, weiter zu expandieren, wenn keine Lösungen vorliegen.
Ist das Thema schon vollkommen in den Köpfen der Entscheidern angekommen? Sicherlich nein, auch weil oftmals das Wissen darüber fehlt, was neue Technologien hier leisten können. Es fehlt in der Branche an Referenzen. Zwar gibt es immer wieder Pilotprojekte, die aber aufgrund ihres Charakters eines Forschungsprojekts nicht immer die besten Ergebnisse liefern. Was fehlt, sind kommerziell erfolgreiche Projekte. An der einen oder anderen Stelle gibt es diese, aber noch nicht in der Breite. Wir würden uns wünschen, dass von Seiten der Gesetzgebung in Chile Unternehmen motiviert werden, mehr in diese Art von Technologien zu investieren. Vor allem, da es tatsächlich auch ein Unternehmensvorteil ist, in modernere Produktionsprozesse zu investieren. Wir würden uns wünschen, dass die Minen und verarbeitende Betriebe auch ein Bewusstsein entwickeln, dass in anderen Industrienationen ein eindeutig höheres Bewusstsein über Nachhaltigkeit existiert. In Deutschland werden zunehmend kritische Artikel und Fernsehberichte über die Herstellung von Lithium in den Medien gezeigt. In den letzten zwei bis drei Monaten wurde jeweils zur Prime Trime in den Nachrichtensendungen über Produktionsmethoden vermehrt kritisch berichtet und nachgefragt. Dessen muss man sich Bewusst sein.
Es gibt Themen, die schwer umzusetzen sind, und andere wiederum die sehr einfach zu lösen sind, sogenannte „low hanging fruits“. Diesel in der Atacamawüste zu verbrennen, macht meiner Meinung nach absolut keinen Sinn. Unterm Strich: Für Vieles gibt es technische Lösungen. Dies muss in die Entscheidungsebenen der Unternehmen getragen werden. Da ist es leider noch nicht überall angekommen. Es scheint dass Nachhaltigkeitsthemen noch nicht ernst genug genommen werden und dort wo es bereits Ideen zur Lösung von Problemen gibt, misst man ihnen zu geringe Priorität bei.
[AHK Chile] Protarget agiert im internationalen Kontext und führt Projekte in Zypern, Brasilien und Indien durch. Im Jahr 2014 hat Protarget eine Kooperation zur Fertigung von Kraftwerksteilen mit einem chilenischen Unternehmen aus der Bergbau-Zulieferindustrie geschlossen. Welche Projekte sind hieraus entstanden? Welche Chancen und Herausforderungen haben Sie hierbei identifiziert?
[Martin Scheuerer] Wir sind primär ein deutscher Technologieanbieter, der aber eine technische Lösung speziell für die Atacama-Region und die Bergbaubranche anbietet. Um hier erfolgreich zu sein, müssen wir eine lokale Verzahnung herstellen. Das heißt auch, dass wir einen großen Teil der Anlagen hier in Chile produzieren lassen, gemeinsam mit lokalen Partnern aus dem Bergbausektor. Die Branche hat sehr spezifische Anforderungen und Standards, die wir einhalten müssen. Dies war uns sehr wichtig und deshalb haben wir Anfang 2014 angefangen, einige Bauteile der Produktionskette in Chile zu entwickeln, sodass wir jetzt auf chilenische Quellen vor Ort zurückgreifen können. Teile einer solarthermischen Anlage sind ohnehin konventionelle Anlagentechnik, z.B. Pumpen, Rohrleitungen und Ventile. Hier gibt es bereits eine lückenlose Lieferkette und internationale Anbieter, die in Chile etabliert sind.